Bewegung und Stabilität im Alter

Je älter wir werden, desto langsamer und schwieriger werden unsere Bewegungen. Ältere Menschen sind ab einem gewissen Punkt auf Hilfe bei der Bewältigung von alltäglichen Aufgaben angewiesen. Assistenzsystem und intelligente Technologien können sie dabei unterstützen und gleichzeitig dazu beitragen, ihre Mobilität oder sogar ihren aktiven Lebensstil aufrechtzuerhalten. Um die tatsächlichen Bedürfnisse verschiedener Gruppen von älteren Menschen hinsichtlich ihrer Unterstützung zu verstehen, werden im Heidelberger Zentrum für Bewegungsforschung (HCMR) biomechanische Bewegungsstudien durchgeführt. Das Bewegungslabor des HCMR bietet mit dem Motion-Capture-System, den im Boden eingebetteten Kraftmessplatten, den Sensoren zur Überprüfung der Muskelaktivität sowie den drucksensitiven Einlegesohlen für Schuhe und dem Sicherheitssystem zur Sturzprophylaxe optimale Voraussetzungen, um die Bewegung von älteren Menschen zu untersuchen und die Unterstützung von Assistenzsystemen zu bewerten. Darüber hinaus werden Studien mit einer spielebasierten, computergestützten Balance-Plattform (Exergame) durchgeführt, um den Trainingsbedarf verschiedener Gruppen von älteren Menschen zu ermitteln und adaptive, spielebasierte Balance-Trainingsprogramme zu entwickeln.

Wir sind auf der Suche nach jungen und älteren Teilnehmern für unsere Bewegungsstudien. Näher Informationen hierzu erhalten Sie auf unserem Flyer.

Bewegungsanalyse bei älteren Menschen 

Alltagsaktivitäten werden mit zunehmenden Alter immer schwieriger, was auf eine verminderte Muskelkraft, einer beeinträchtigten motorischen Kontrolle, eine verlangsamte Reaktionszeit und einer geringeren kognitiven Leistungsfähigkeit zurückzuführen ist.

Dies führt häufig zu einer verminderten Funktionsfähigkeit sowie Stürzen und damit verbundenen Verletzungen. Das Teilprojekt A1 („Quantitative Analyse von Mobilitätsveränderungen und Bewegungsstabilität im Alter“) konzentriert sich auf die Analyse von Veränderungen bei der Bewegung und Stabilität, die im Alterungsprozess auftreten. Insbesondere sind wir daran interessiert, wie die Mobilität bei älteren Menschen mit unterschiedlich ausgeprägter Funktionsfähigkeit oder Gebrechlichkeit beeinträchtigt ist. Um die Mobilität bei gebrechlicheren älteren Menschen zu verbessern, steht eine Auswahl an unterschiedlichen Assistenzsystemen zur Verfügung, wie z. B. Rollatoren zur Unterstützung des Gehens. Es ist jedoch nicht bekannt, wie diese Assistenzsysteme die Bewegung im Detail unterstützen. Dieses Teilprojekt zielt darauf ab, die Interaktion zwischen älteren Menschen und Assistenzsystemen zu analysieren, um die Entwicklung intelligenter, speziell auf die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichteter Assistenzsysteme zu beschleunigen. Im Rahmen des Projekts legen wir dabei den Fokus auf die Untersuchung des Gehens, des Gleichgewichts im Stehen und den Sitzen-Stehen-Transfer bei älteren Menschen verschiedener Gebrechlichkeitsstufen, beginnend bei älteren Menschen, die ihren aktiven Lebensstil beibehalten wollen, bis hin zu jenen, die auf Hilfe bei Alltagsaktivitäten angewiesen sind.

Zunächst konzentrieren wir uns auf die Erfassung von Daten zum Sitzen-Stehen-Transfer bei einer Gruppe von jüngeren und einer Gruppe von älteren Erwachsenen, wobei Körperbewegungen mittels Motion-Capture-Marker und Bodenreaktionskräfte mittels Kraftmessplatten erhoben werden. Es werden dabei verschiedene Strategien des Aufstehens untersucht, wie zum Beispiel das Aufstehen mit und ohne Schwungbewegung der Arme.

Ein weiterer Schritt stellt die Überprüfung des Effekts der Hilfestellung dar: Es soll geprüft werden, ob Assistenzsysteme ältere Menschen mit Muskelschwäche helfen, leichter aufzustehen, indem sie die Belastung auf deren Knie verringern. Darüber hinaus möchten wir herausfinden, inwieweit Assistenzsysteme mehr Stabilität für Personen mit eingeschränkter Koordination und Standfestigkeit bieten.

Erkennung von (Un-)Stabilität bei älteren Menschen

Die Fähigkeit, bei alltäglichen Aktivitäten das Gleichgewicht zu halten, nimmt mit zunehmendem Alter ab und resultiert in einer großen Anzahl von Stürzen und Verletzungen.

Das Ausmaß der durch Stürze verursachten Verletzungen ist nicht zu unterschätzen: In vielen Industrieländern sind Sturze nach Autounfällen die zwei häufigste Ursache für Verletzungen. Auch wenn Hilfsmittel dabei helfen können, das Gleichgewicht zu verbessern, so bieten persönliche Pflegepersonen immer noch die bestmögliche Unterstützung, da sie in der Lage sind, das Gleichgewicht einer Person zu beobachten und gleichzeitig Hilfe zu leisten, um einen Sturz zu verhindern. Leider hat jedoch nicht jeder, der eine Pflegeperson benötigt, Zugang zu einer solchen.

Um dieses Problem anzugehen, konzentrieren wir uns in Teilprojekt A2 („Algorithmische Grundlagen zur Analyse und Verbesserung der Stabilität von Bewegungen“) auf die Entwicklung eines Systems zur Überwachung des Gleichgewichts, welches den Körper einer Person beobachtet und die Stabilität seiner Bewegungen überprüft. Um dieses Ziel zu erreichen, wird sich dieses Projekt auf zwei anspruchsvolle Aufgaben konzentrieren: Zum einen auf die Messung der Körperhaltung der Person mit kompakten Sensoren und zum anderen auf die Umsetzung dieser Messung in eine Echtzeitbewertung des Gleichgewichts. Falls dieses Projekt erfolgreich ist, wird es die Intelligenz von Hilfsmitteln zur Verbesserung des Gleichgewichts erheblich verbessern und hoffentlich eine Vielzahl unnötiger Verletzungen verhindern.

Balancetraining mit älteren Menschen

Im Alltag gibt es zahlreiche Situationen, in denen eine Gleichgewichtsaufgabe gleichzeitig mit einer zweiten kognitiven Aufgabe erfüllt werden muss (z.B. in einer fahrenden Straßenbahn stehen und dabei ein Gespräch führen). Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich jedoch die Fähigkeit, das Gleichgewicht unter solchen dualen Aufgabenbedingungen zu halten. Da eine verringerte Gleichgewichtsleistung während Doppelaufgaben (Dual-Tasks) das Sturzrisiko erheblich erhöht und mit Einschränkungen der Mobilität verbunden sind, sind wirksame Interventionsstrategien zur Verbesserung dieser Leistung im Alter von hoher Relevanz. Bewegungsbasierte Videospiele, auch Exergames genannt, bieten eine einzigartige und aufregende Möglichkeit, Gleichgewichtsübungen mit kognitiv herausfordernden Aufgaben in einem interaktiven, spielbasierten Trainingssnsatz zu kombinieren. Da bereits positive Auswirkungen von Exergames auf relevante Gesundheitsparameter (z.B. Gleichgewicht, Dual-Tasking, Mobilität, Sturzrisiko) gezeigt werden konnten und ihr spielerischer Charakter dazu beitragen kann, die Motivation älterer Menschen zur Aufrechterhaltung von regelmäßigem Training zu steigern, nimmt der Einsatz von computergestützten, spielebasierten Gleichgewichtstrainingsformen in Präventions- und Rehabilitationsprogrammen für ältere Erwachsenen exponentiell zu.

Eine hochinnovative Entwicklung bei Exergames besteht darin, deren internen Datenstrom zu nutzen, um das spezifische Leistungsniveau einer Person zu bewerten, den Schwierigkeitsgrad der Exergame-Aufgabe entsprechend anzupassen und den Trainingsfortschritt detailliert darzustellen. Das Teilprojekt B5 („Exergames zur Steigerung von Mobilität und Stabilität“) will diese Entwicklung einen Schritt weiterführen. Basierend auf dem internen Datenstrom einer spielebasierten, computergestützten Balance-Trainingsplattform und mittels des Motion-Capture-System erfassten 3D-Bewegungsdaten der Körperbewegungen einer Person sollen individuelle motorische und/oder kognitiv bedingte Fehler (Fehlermuster und -hierarchien) während des Exergamings identifiziert werden. Diese Daten werden verwendet, um intelligente Exergames für die Balance-Trainingsplattform zu entwickeln, die den Schwierigkeitsgrad während des Spielens in Echtzeit an das aktuelle Leistungsniveau bzw. an die spezifischen Fehler der jeweiligen spielenden Person anpasst. Eine solche intelligente Exergame-basierte Balance-Trainingsplattform fehlt bislang in der Exergame-Entwicklung und hat das Potenzial, ein hocheffizientes Trainingsinstrument zur Verbesserung von Balance und Mobilität sowie zur Verringerung des Sturzrisikos bei älteren Erwachsenen darzustellen, indem gezielt auf deren individuelle Einschränkungen und Ressourcen eingegangen wird.